Die Nacht unserer Abreise war sternenklar und der Vollmond strahlte uns die ganze Zeit entgegen. Da zu dieser Zeit fast niemand auf den Strassen unterwegs war, kamen wir schon gegen 7 Uhr in Gries, einem malerischen Bergdörfchen auf ca 1600m an. Es war einfach wunderbar. Gerade ging die Sonne auf und tauchte die ersten Gipfel in Morgenlicht. Der Himmel war absolut wolken frei und so kannte unsere Motivation keine Grenzen. Bald waren die Schuhe geschnürt und die Rucksäcke fertiggemacht und es konnte losgehen. Unser Weg führte uns durchs Sulztal den Fischbach entlang hinauf zur Amberger Hütte (2136m). Nach etwas mehr als 2 Stunden kamen wir dann auch oben an. Da es noch früher Vormittag war, wälzte ich die Karte, um noch ein kleines Ziel zum Eingehen auszusuchen. Dafür kam nur ein Ziel , der Vordere Sulzkogel, in Frage, da um diese relativ niedrig gelegene Hütte sonst nur 3000er waren. Angegeben war er mit 1,5 Stunden, was meiner Meinung nach etwas zu wenig ist. Da wir keine Eile hatten, liessen wir es dann auch recht gemütlich angehen. Hinter der Hütte führte und ein matschiger Hang wieder etwas taleinwärts , bevor er dann nach links abbog und wir endlich an Höhe gewannen. Weiter ging es über ein paar Stufen empor zu einem Schuttfeld aus grossen, relative losen Steinblöcken und es war wahrlich keine Freude über diese zu steigen. Matthias bekam langsam etwas Kreislaufprobleme. Daher beschloss er vor den letzten 200Hm auf mich zu warten. Ab hier wurde es dann auch etwas spannender. Den Matschhang und das Geröllfeld hinter mir sah ich nun den steilen Gipfelaufbau vor mir. Rasch kam ich hier voran. 2 plattige Stellen waren mit Drahtseilen versichert und weiter oben waren sogar Stufen aus der Erde gestochen. Dann kam mir endlich das Gipfelkreuz, das wir schon den ganzen Tag vom Parkplatz ab sehen konnten, entgegen. Oben nahm konnte ich mir aber nicht viel Zeitnehmen, da ja Matthias unten wartete. So waren schnell ein paar Fotos geschossen und ein Eintrag ins Gipfelbuch getätigt. Trotzdem nahm ich mir noch die Zeit, mir den Weg auf unser morgiges Ziel anzuschauen. Danach ging es schnell wieder abwärts Richtung Matthias. Ihm ging es trotz der knappen Stunde Pause nicht wirklich besser. Mir schwante schon Böses für die nächsten Tage. So liessen wir uns auch beim Abstieg viel Zeit. Eines weiss ich ganz genau. Diesen Berg werde ich nicht noch einmal besteigen. Aber es gibt da ja auch och so viele Andere. Wieder an der Hütte gabs dann eine deftige Jause. Die hatten wir uns aber auch wahrlich verdient. Danach wies uns der Hüttenwirt unser Lager zu. Hier zahlte es sich aus, dass ich vorher reserviert hatte. Da am Samstag ja noch Anne und Georg zu uns stossen wollten, bekamen wir ein 4-Lagerzimmer für uns allein.
Am Freitag Morgen sah das Wetter nicht mehr so gut aus. Dicke Wolken waren über Nacht aufgezogen. Doch der Wirt meinte, dass sie sich im Laufe des Tages etwas lichten würden und nur am Nachmittag mit vereinzelten Schauern zu rechnen sei. Unser heutiges Ziel sollte die Kuhscheibe sein. Da ich am Vortag keine Spalten auf ihrem kleinen, völlig aperem Gletscher ausmachen konnte, entschied ich, nur leichtes Gepäck ohne Seil mitzunehmen. Wenn die Bedingunen am Gletscher ein Seil erforderten, würden wir halt umkehren. Für heute hatten wir uns vorgenommen, nicht so viele kleine Pausen wie gestern zu machen, um unseren Laufrhythmus zu finden. So kamen wir dann auch richtig gut voran und erreichten nach knapp 2 Stunden das Schild, an dem sich die Wege zur Kuhscheibe und zum Atterkarjoch trennten. Unser Weiterweg führte uns auf einem relativ guten, gut bezeichnenten Weg über ein Geröllfeld aufwärts zur Gletscherzunge des kleinen Ferners auf der Nordseite der Kuhscheibe. Dort deponierten wir unsere Rucksäcke. Nur mit einer Wasserflasche und dem Pickel in der Hand bewaffnet stiegen wir das erste Steilstück hinauf, bis der Gletscher in der oberen Hälfte deutlich flacher wurde. Meine Augen hatten mich am Vortag nicht getrübt und wir fanden griffiges, völlig spaltenfreies Eis vor. War Matthias bis zum Rucksackdepot noch ganz gut mitgekommen, bekam er jetzt langsam wieder die gleichen Probleme wie am gestern. Ich hatte schon den oberen Gletscherrand erreicht. Da ich die Wasserflasche und ihn nicht alleine umkehren lassen wollte, spornte ich ihn an, die paar Meter zu mir zu kommen und hier zu warten, bis ich von dem nur noch 150m entfernten Gipfel zurückkam. Ich liess ihm die Wasserflasche da und kletterte los. Diese Kletterei wäre wirklich nicht für ihn in seiner Verfassung gewesen, denn es ging recht luftig und ausgesetzt über plattiges Gestein (mit Stellen II) aufwärts. Der Gipfel war aber schnell erreicht. Dies war als mein erster 3000er ! Zwar Matthias leider nicht mit hier oben, doch war ich stolz auf ihn, da er seine Grenzen rechtzeitig erkannte und den Mut hatte, dies auch zu sagen und nicht auf Teufel komm raus unbedingt mitkommen zu müssen. Die Aussicht hier oben war aber nicht besonders gut, da viele der umliegenden Gipfel in den Wolken lagen. So beliess ich es bei ein paar Fotos und einem Eintrag ins Gipfelbuch und stieg wieder zu Matthias ab. Da die Zeit nicht drängte stiegen wir nicht gleich über den Gletscher ab, sondern querten ihn Richung zweier unbedeutender und unbenannter Erhebungen an dessen Nordostseite. Diese waren auch über 3000 Meter. So hatte auch Matthias seinen ersten 3000er. Wenn auch ohne Namen. Dafür hatten wir uns ein kleines Gipfelschnäpschen verdient. Nun wurde es langsam Zeit für den Abstieg, da die Wolken immer dichter wurden. Auf dem Weg nach unten fielen uns jetzt ein paar Rinnen auf, in denen das Schmelzwasser zu Tal rauschte. Auf einem Foto aus den 90er Jahren war der Gletscher übrigens mehr als doppelt so gross. Wenn dies so weitergeht, wird es ihn in 10-20 Jahren vermutlich garnicht mehr geben. Zurück am Rucksackdepot stellten wir fest, dass aus dem kleinen Rinnsal ein ansehnlicher Bach geworden war und sich ein kleiner Teich gebildet hatte. Das Wasser stand nur noch einen halben Meter von unseren Rucksäcken entfernt. Puh, noch einmal Glück gehabt. Matthias ging es jetzt auch wieder besser und wir erreichten am frühen Abend die Hütte.
Für Samstag war eigentlich eine Überschreitung der Murkar- und Muschenspitze geplant. Wir waren frühs die Allerersten beim Essen und marschierten kurz nach 7 Uhr los. Doch das Wetter war diesmal schlecht. Wieder hingen viele dichte Wolken im Tal hinter der Hütte und es sah auch nicht so aus, alsob sie sich schnell auflösen würden. Als es nach einer halben Stunde auch noch mit nieseln anfing, entschieden wir uns zur Umkehr und noch etwas zu schlafen. Wir waren auch nicht wirklich böse drum, da die letzten 2 Tage doch etwas anstrengend waren und für morgen ja noch der Schrankogel mit seinen 1400Hm auf unserem Ziel stand. Und wir hatten Glück, denn es regnte den ganzen Vormittag in strömen. Am Nachmittag kamen dann auch Anne und Georg völlig durchnässt an der Hütte an. Nach einem kleinen Bierchen entschieden wir, uns noch etwas die Beine zu vertreten, da das Wetter sich auch merklich gebessert hatte. Wir wanderten Richtung Süden bis an die Gletscherzunge des Sulztalferners heran. Nach einer kurzen Rast ging es dann wieder zur Hütte zurück und dort nach einem guten Abendessen früh ins Bett. Diese Nacht war dann nicht so schön, wie die letzten 2. Anne und Georg lieferten sich ein herzhaftes Schnarchduell. Ein Glück, dass wir vormittags noch etwas geschlafen hatten :)
Am Sonntag hatte sich das Wetter deutlich gebessert. Keine Wolke trübte den Himmel. Da wir uns etwas schonen wollten, nahmen wir nur 1 Rucksack (für mich und Matthias) mit. Ich schnallte ihn mir als erstes auf und los gings. 2 Stunden später erreichten wir das Hohe Egg auf 2820m und hatten somit die Hälfte des Weges hinter uns. Jetzt wollte ich mich mal testen und stapfte ohne Pause weiter. Auch die anderen weilten nur ganz kurz und kamen hinterher. Der ganze Weg auf den Schrankogel war völlig aper. So kam ich super vorran und erreichte 1,5 Stunden später den Gipfel. 1,5 Stunden schneller als im Führer und mit Gepäck für 2. Huk, meine Brust schwoll an. 30 Minuten nach mir kam Georg an und weiter 30 Minuten später Anne und Matthias. Man wie hatte er sich gesteigert ! Am ersten Tag einen 2800er nicht geschafft, am zweiten Tag auf 3100m kurz unter dem Gipfel aufgeben und jetzt einen 3500er! Und das auch noch eine halbe Stunde schneller als im Führer angegeben ! Diesem trate ich jetzt sowieso nicht mehr ganz. Da stand dort doch tatsächlich :" Auf den letzten paar Metern muss dann etwas angepackt werden...Stellen I ". Ich bin der Meinung, dass die ganze Kletterei I war und vielleicht sogar Stellen II- hatte. Was aber schlimmer ist, ist die Tatsache, dass "die letzten paar Meter" ganze 400mH Kletterei sind. Aber egal. Wir waren oben ! Das Panorama, was sich uns hier erschloss, war einfach atemberaubend. Unser Blick reichte von dem Geigenkamm und Kaunergrat im Osten, den Ötztaler Eisbergen und der dahinterliegenden Bernina im Südosten, dem Ortlerbergen und Hochstubai im Süden bis hin zu den Zillertaler Alpen und Hohen Tauern im Osten bzw Nordosten. Einfach traumhaft ! Nach einer ausgiebigen Rast ging es dann wieder abwärts. Da Anne Probleme mit ihren Knien hatte, half ihr Georg und ich kümmerte mich darum, dass Matthias die Kletterpassage gut hinter sich brachte. Auf unserem weiteren Abstieg hatten wir dann noch ein nettes Gespräch mit einem älteren Ehepaar, die uns viele nützliche Tourentipps gaben. Zurück an der Hütte gabs dann endlich ein wohlverdientes Bierchen. Danach mussten Anne und Georg schon wieder packen, da sie ja noch nach Gries abfahren und zurück nach München mussten. Wir entschieden uns, erst am nächsten Morgen abzusteigen. Nach einem deftigen Abendbrot ging es dann auch recht schnell ins Bett. Diesmal wieder ohne Schnarcher hehe.
Montag früh hiess es dann auch für uns Abschied von der Amberger Hütte nehmen. Zurück in Gries führte uns unser Weiterweg zuerst nach Sölden, wo wir ein leckeres Mittagessen zu uns nahmen, und dann weiter nach Vent (1900m).